Wie groß ist das Repräsentationsproblem in deutschen Medien wirklich? Eine aktuelle, repräsentative Umfrage von Readly und dem Meinungsforschungsinstitut Civey zeigt: Es ist kein Randthema, sondern betrifft die Mehrheit der Gesellschaft.

Demnach geben 60 % der Befragten an, dass sie sich nicht oder eher nicht in der medialen Berichterstattung wiederfinden. Nur rund 10 % erkennen sich klar in den Inhalten deutscher Medien wieder. Besonders hoch ist die kritische Wahrnehmung in Ostdeutschland, bei Studierenden und in ländlichen Regionen.

1. Eine Entscheidung, die Diskussionen auslöste

Auslöser für die Debatte war unter anderem ein Fall vor dem Bundesverwaltungsgericht: Eine Frau aus Bayern wollte den Rundfunkbeitrag nicht zahlen – mit der Begründung, ARD, ZDF und Deutschlandradio würden nicht vielfältig genug berichten. Das Urteil bestätigte zwar die Beitragspflicht, brachte aber eine gesellschaftlich brisante Frage auf den Tisch:
Fühlen sich Menschen in Deutschland von öffentlich-rechtlichen und anderen Medien überhaupt noch repräsentiert?

2. Regionale und gesellschaftliche Spaltung wird sichtbar

Die Umfrageergebnisse offenbaren deutliche Unterschiede:

  • Ostdeutschland: Fast 70 % fühlen sich nicht repräsentiert
  • Westdeutschland: Immerhin knapp 60 % teilen dieses Gefühl
  • Studierende: Drei von vier erkennen sich nicht in den Medien wieder
  • Ländliche Regionen: Besonders kritische Einschätzungen
  • Ballungsräume: Höhere Identifikation mit medialer Berichterstattung

Diese Zahlen zeigen: Die Frage nach medialer Repräsentation ist auch eine Frage von Region, Alter, Bildung und sozialer Erfahrung.

3. Politisch aufgeladen – aber nicht eindeutig

Besonders deutlich ist das Unbehagen bei AfD-Wähler:innen: Eine überwältigende Mehrheit dieser Gruppe fühlt sich in Medien nicht repräsentiert. Doch das Phänomen beschränkt sich nicht auf bestimmte politische Lager: Die Skepsis zieht sich quer durch alle Parteien. Das erschwert eine einfache Erklärung – denn der Vertrauensverlust scheint tiefer zu liegen als parteipolitische Differenzen.

4. Ursachen: Mehr als nur Algorithmen

Marie-Sophie von Bibra, Geschäftsführerin von Readly Deutschland, spricht von einem „demokratischen Problem“ und verweist auf die strukturellen Ursachen:

  • Algorithmisch verstärkte Wahrnehmungsblasen
  • Themenauswahl, die reale Lebenswirklichkeiten verfehlt
  • Mangelnde Sichtbarkeit regionaler Perspektiven

Die Lösung? Mehr Lokaljournalismus, mehr Diversität, mehr Nähe zu den Menschen.

5. Relevanz für Radiobetreiber

Für Radiobetreiber liegt hier ein entscheidender Ansatzpunkt:

  • Regionale Nähe und Alltagsthemen: Menschen wollen ihre Lebensrealität gespiegelt sehen
  • Lokaljournalismus als Vertrauensanker: Lokale Stimmen, lokale Geschichten und lokale Perspektiven schaffen Bindung
  • Redaktionelle Haltung statt Quotendenken: Repräsentation entsteht nicht automatisch durch Zahlen, sondern durch bewusste redaktionelle Entscheidungen
  • Beteiligung ermöglichen: Interaktive Formate, Meinungsumfragen und Community-Stimmen machen Medien erlebbarer

Fazit

Vertrauen in Medien entsteht durch Wiedererkennung und Teilhabe. Die aktuelle Studie zeigt deutlich: Große Teile der Bevölkerung fühlen sich nicht ausreichend vertreten – weder thematisch noch kulturell oder regional. Radiobetreiber und Medienhäuser sind gefordert, ihre redaktionelle Ausrichtung kritisch zu überprüfen.

Repräsentation ist kein Luxus – sie ist Voraussetzung für funktionierende Demokratie.

Quellen: