KI, Cloud-Playout, virtuelle Server – die technische Zukunft des Radios ist längst da. Doch wer glaubt, dass Algorithmen die Klangqualität von morgen allein bestimmen, liegt falsch.
Mike Pappas, Senior Vice President bei Orban, einem der führenden Anbieter für Audio-Processing, bringt es in einem Interview mit Radio World auf den Punkt:

„Das Wichtigste bleibt das Zuhören. Man muss den eigenen Sender wirklich hören – auf allen Plattformen.“

Zuhören ist die neue Qualitätskontrolle

Pappas erinnert daran, dass jedes Gerät den Klang anders abbildet: vom Smartphone über Bluetooth-Lautsprecher bis zum Autoradio. Wer Sound nur am Studiomonitor prüft, hört nicht, was Hörer tatsächlich erleben.
Sein Rat: kritisch auf allen Ausspielwegen hören, regelmäßig Testläufe machen und Feedback aus dem Publikum oder dem Team einholen.
So simpel das klingt – es ist der Kern professioneller Audioarbeit. Denn gute Processing-Settings entstehen nicht aus Theorie, sondern aus Empirie: durch wiederholtes Hinhören und Feinjustieren.

KI, Cloud und HLS – neue Werkzeuge, keine Wundermittel

Laut Pappas verändern Cloud- und KI-basierte Systeme zwar die Radiotechnik grundlegend – doch sie lösen keine Qualitätsprobleme automatisch.
Bei Orban setzt man inzwischen auf HLS-Streaming (HTTP Live Streaming), bei dem Audio und Metadaten synchron übertragen werden. Das ermöglicht stabile, automatisierte Abläufe und sogar Backups bei Netzausfall.
Aber: Jede Technologie hat ihre Grenzen. AWS-Ausfälle, Codec-Probleme oder falsches Processing bleiben menschliche Herausforderungen – KI kann sie nicht kompensieren, sondern nur strukturieren.

Streaming braucht eigenes Processing

Ein weiterer Punkt: Viele Sender nutzen noch immer dieselben Processing-Einstellungen für UKW und Stream. Ein Fehler, sagt Pappas.
Streaming hat andere technische Bedingungen – keine Pre-Emphasis, dafür Codec-Kompression.
Sein Rat:

  • Separate Processing-Ketten für FM und Stream
  • Konsistente Lautheit für Podcasts und On-Demand-Inhalte
  • Reduzierte Dynamik für mobile Hörer, die meist mit Kopfhörer oder im Auto hören

Kurz: Qualität entsteht aus Anpassung, nicht aus Vereinheitlichung.

Neue Technologien, alte Tugend

Trotz aller Innovationen bleibt der Grundsatz der gleiche:

„Es geht immer um Musik, Mathematik und Vorstellungskraft im Dienst des Publikums“, zitiert Pappas Orban-Gründer Bob Orban.

Für Radiomacher heißt das: Processing, Streaming und Automation sind Mittel zum Zweck – aber das entscheidende Instrument bleibt das Ohr.

Wer wirklich hinhört, erkennt sofort, ob ein Sender „lebt“ oder nur technisch funktioniert. In einer Welt voller automatisierter Audioströme ist genau das der Unterschied, der Marke, Glaubwürdigkeit und Hörerbindung schafft.

Fazit

Das Radio der Zukunft wird digitaler, vernetzter und automatisierter – aber nicht seelenlos.
Cloud, HLS und KI sind Werkzeuge. Doch sie ersetzen nicht die wichtigste Kompetenz jedes Radiomachers: bewusstes Zuhören.
Denn nur wer hört, wie sein Programm wirklich klingt, kann dafür sorgen, dass es auch wirklich ankommt.